CoWorking: Ein Thema für den ländlichen Raum?

von Steffen Greschner am 16. Januar 2012

Laut einer Umfrage des Branchenverbandes BitKom aus 2010 wollen knapp 40% der Menschen teilweise oder komplett von zu Hause aus arbeiten.

Technisch ist das heute eigentlich kein Problem mehr: Schnelles Internet, Notebook, ein Schreibtisch und fertig ist das Home-Office. Und auch in ländlichen Gebieten hat man die Hürde “schnelles Netz” mehr und mehr im Griff.

Das der Trend zu flexibler Arbeit von zu Hause aus geht, zeigt auch das Beispiel Microsoft in der Schweiz: Kürzlich wurden dort die Büros aufgelöst. Gearbeitet wurde testweise im Homeoffice.

Die Möglichkeiten, die sich aus mehr Flexibilität im Arbeitsleben ergeben, betreffen nicht nur den Einzelnen, sondern erlauben eine komplett neue Organisationsform von Familie und Gesellschafft. Auch und gerade in ländlichen Gegenden. Für normal Berufstätige ist das Leben hier herausfordernd. Vor Ort sind nicht viele Jobs und die tägliche Pendelei in die nächste Großstadt kostet viel Geld, Zeit und Nerven.

Für das Privatleben bleibt für Pendler nicht mehr viel übrig. Zurück in klassische Rollenbilder – der Mann im Büro, die Frau bei der Familie – wollen aber gerade junge Paare nicht und können es oft auch nicht, da beide Elternteile berufstätig sind. In der Schweiz wird das Thema inzwischen stärker diskutiert, als bei uns noch:

Das Selbstverständnis eines jungen Menschen oder eines Paares ist heute ein verändertes.  Die frühere traditionelle Rollenteilung entspricht nicht mehr den Lebensvorstellungen einer sehr grossen Mehrheit der jungen Generation. Ihre Vorstellungen von Partnerschaft, Teilhabe am Familienleben, Alltagsgestaltung und der Erziehung sind Früchte der verbesserten Ausbildung der jungen Erwachsenen.

So tragen heute in 75% aller Familien beide Elternteile mit ihrer Erwerbstätigkeit zur wirtschaftlichen Sicherheit der Familie bei. Diese Familien passen sich den Anforderungen einer globaltägigen Wirtschaft an und sind mit neuen Zeit- und Arbeitsmustern in einer mobilen Arbeitswelt konfrontiert.

Sie stellen aber gleichzeitig fest, dass die Schule und die Gesellschaft hinterher hinken. Als Stichworte seien hier lediglich die Schulzeiten, die fehlenden Tagesschulen und fehlenden Betreuungsinstitutionen erwähnt. Nach wie vor werden die Alltagsrealitäten der arbeitnehmenden Eltern verkannt.

Es wird in Zukunft nicht mehr reichen, nur geförderte Wohnungen und Bauplätze für Familien anzubieten. Man sollte sich auch Gedanken machen, wie Arbeit in ländlichen Gebieten besser organisiert werden kann.

Quelle: Deskmag

Nicht jeder kann oder will von zu Hause aus arbeiten. Einige Firmen erkennen den Trend und bieten ihren Mitarbeitern die Möglichkeit in CoWorking-Spaces in der Nähe des Wohnortes zu arbeiten. Ein CoWorking-Space ist eine Art WG für Berufstätige, die sich in vielen deutschen Städten im letzten Jahr etabliert haben:

Ein Coworking Space bietet Arbeitsplätze, Internet, Küche, Meetingräume, oft auch private Büros, einen Loungebereich, Bürogeräte, weitere Infrastruktur und mehr.

Coworking Spaces sind oft auch eine Alternative für Gründer oder eine neue Generation von “Freiangestellten”, die eine Alternative zur Arbeit in Cafés oder der Isolation im Homeoffice suchen.

In einigen CoWorking-Spaces teilen sich die Kunden beispielsweise einen Steuerberater, der zu festen Terminen und günstigen Preisen Beratung vor Ort anbietet oder bauen eine gemeinsame Kinderbetreuung auf.

Mehr Informationen gibt es beim Branchenmagazin Deskmag, das sich kürzlich auch die besonderen Herausforderungen von CoWorking-Spaces auf dem Land angeschaut hatten:

Coworking in Kleinstädten funktioniert etwas anders als in großen, anonymeren Orten. Ausgehend von den Ergebnissen der letzten Woche sprachen wir mit vier Betreibern von Coworking Spaces in kleineren Ortschaften über die Unterschiede. Ihre Mitglieder benötigen die neuen Arbeitsräume seltener, weil sie häufig weiter wegwohnen, zu Hause mehr Räume besitzen und generell in einem dichteren sozialen Netzwerk leben. Allerdings bieten sie gerade auch deshalb für die berufliche Arbeit mehr Abwechslung und wegen der heterogeneren Alterstruktur bestehen für die Mitglieder besonders gute Möglichkeiten, voneinander zu lernen.

CoWorking wächst momentan vor allem in Städten. Die fast größeren Chancen bietet es aber vielleicht sogar auf dem Land.

{ 4 Kommentare }

Florian Januar 18, 2012 um 13:37

Das Home Office bringt auch Nachteile. Das sog. Cocooning wird noch weter verstärkt: Menschen verbringen immer mehr Zeit zu Hause und sind seltener unter Menschen. Außerdem darf man nicht vergessen, dass im normalen Büro mit den anderen Mitmenschen auch Synergie-Effete entstehen.

Steffen Greschner Januar 18, 2012 um 14:15

das ist ja der Ansatz von CoWorking. Etwas gegen das Cocooning zu tun und neue Synergien aufbauen. Als Freiberufler bietet sich das an, da bisher die Alternativen zum Home Office schwierig waren. Ich habe es inzwischen in verschiedenen Städten ausprobiert und sehe es als echte Alternative zum Home Office. Zumindest für ein, zwei Tage pro Woche.

Co-Working Januar 20, 2012 um 16:26

Slotted Work ist eine alte deutsche Idee.

An Bahnhöfen liegt sowieso Glasfaser wie auch unter den großen Strom-Masten. Statt also Münchener Mieten zu bezahlen baut Allianz oder MünchenRe oder Siemens oder BMW seine neuen Verwaltungen bzw. freigewordene Kapazitäten aus überteuerten Mietgebieten neben die Bahnhöfe (oder neben die Trafo-Station) in der billigen Wallachei und die Mitarbeiter müssen nicht mehr pendeln und die Münchener/Hamburger/Berliner/… Mieten hochtreiben und Straßen verstauen . Wenn man nicht so viele Juristen bezahlen müsste, hätte ich das längst als Dienstleistung (“Mietbüros”) für “halb so teuer wie in Berlin” (oder was realistisch ist und mit Immoscout täglich bewiesen wird) aufgebaut und realisiert.
Eine Gewerbeimmobilie kriegt von QSC oder sonst wem problemlos Glasfaser oder Richtfunk. Die Versorgungsproblematik betrifft ja “nur” die hunderten Privathäuser in den “Schlafsiedlungen” die keiner anschliessen will und die vom Land täglich zu hunderttausenden in die Großsstädte pendeln und Eisenbahnen und Autobahnen füllen. Das ist ein täglicher volkswirtschaftlicher Schaden welcher für Internet-Verschiebbare Verwaltungs-Mitarbeiter problemlos verhindert werden kann. Aber es scheint für DAX-Konzerne und Startup-Inkubatoren profitabler zu sein, Mitarbeiter hohe Innenstadt-Mieten und selber hohe Büro-Mieten zu bezahlen statt immer dort alle neuen Verwaltungsstellen aufzubauen, wo Löhne+Büromieten+Kosten am geringsten sind. 40 Jahre Arbeitszeit sind automatische 2-3% Fluktuation pro Jahr durch Verrentung.

Wie Du siehst, muss man in der von Gewerkschaften aufgeputschten Diskussion HOMEworking stark von CoWorking unterscheiden. Davon abgesehen sind CoWorking-Spaces ja oft auch eher für IT-Freiberufler sowas wie Selbermach-Werkstätten für Auto-Schrauber. Im Prinzip müsste man schlecht ausgelastete Cafes und Restaurants suchen, einen Bereich abtrennen und dynamisch per App als CoWorkSpace oder Privatbüro stundenweise vermieten. Ohne Abmahnungen und Verklagungen hätte ich das längst realisiert und meine offensichtlich von weitem erkennbaren Aufkleber würden viele Spaces zieren.

Gegen MP3-Abmahnungen würden vielleicht Marcel Davis VPN-Verträge schützen. Die SpezialRouterFirmware von Fritz würden dann nur vom Innenminister erlaubte und signierte VPN-Router wie die von Marcel Davis oder Sipgate connecten.

JesseInvax Oktober 4, 2018 um 10:57

Im Vergleich der drei Regionszentren zeigen Waidhofen und Wieselburg, zumindest in der Anzahl der moglichen Coworker, ein sehr gro?es Potential zum Erfolg fur einen Coworking Space. Fur den Pionier-Standort „Coworking Neubruck“ bei Scheibbs, welcher seit Februar 2016 mit drei Arbeitsplatzen belegt ist, bestatigt die Erhebung eine deutlich geringere Anzahl an Kleinunternehmern, fur welche ein Coworking Space geeignet ware. Diskussion und Auswertung

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