Suche: liquid feedback

Was sich letztes Jahr in Landkreis Friesland getan hat, konnte man getrost als eine kleine Revolution in der Kommunalpolitik bezeichnen. Mit Liquid Friesland wurde eine Beteiligungsplattform eingeführt, mit der Bürger ganz direkten Einfluss auf die Politik im Landkreis nehmen können und die Möglichkeiten auch nutzen.

Der Landrat, der dahinter steht, ist Sven Ambrosy und hat sich jetzt in einem sehr lesenwerten Interview mit eGovernment Computing zu seinem Verständnis zukunftsfähiger Kommunalpolitik geäußert:

Schon immer haben sich unsere Bürger an Politik beteiligt, sie schrei­ben uns, sie nehmen an Sitzungen teil, sie rufen uns an, sie bilden Initiativen und sammeln Unterschriften. LiquidFriesland ist ein zusätzlicher Kanal für dieses Engagement, der durch seine Transparenz zusätzliche Beteiligung anzieht. Vom einfachen „Meinungs-Klick“ bis zu eigenen Anträgen kann hier jeder so viel beisteuern, wie er möchte.

Im Unterschied zu vielen anderen Beteiligungsprojekten, hat man in Friesland allerdings eine charmante Möglichkeit gefunden (wie Friesland der Bürgerlobby eine Stimme gibt), den Meinungen der Bürger ein wirkliches Gewicht zu geben, wie der Landrat klar macht:

der Kreistag das Versprechen abgegeben, entsprechend der in der Kommunalverfassung festgelegten Bürgerrechte, die Initiativen, die in LiquidFriesland Abstimmungen gewinnen, auf jeden Fall in seinen Gremien zu beraten.
(..)
Deshalb hat der Kreistag beschlossen, Initiativen der Bürger, die in LiquidFriesland die erforderlichen Quoren gewonnen haben, nach erfolgreicher Abstimmung als Anregung nach § 34 des Niedersächsischen Kommunalverfassungsgesetzes (NKomVG) zu behandeln. Meinungsbilder zu Vorlagen der Kreisverwaltung werden dem Kreistag vor der abschließenden Entscheidung als Meinungsbild analog § 35 NKomVG zur Kenntnis und zu Protokoll zu geben, sodass er sich damit befassen muss.

Auch wenn der Landrat selbst betont, dass er darin keine Revolution sieht, sondern lediglich “mithelfen will, die neuen Wege der Bürgerbeteiligung im Internet zu finden”, zeigt sich mit Liquid Feedback doch, wohin sich Beteiligung in Zukunft entwickeln kann. Weg von projektbezogenen Ja/Nein-Entscheiden und hin zu permanenter Einbindung der Bürger.

Und es zeigt sich auch ganz deutlich, dass der Schwenk hin zu mehr Transparenz und Beteiligung durch die Beteiligten selbst passieren muss. Von oben angeordnet, wird das nur schwer umsetzbar. (Kulturwandel in Gemeinden: “Open Mind vor Open Data”)

Update: Software-Anbieter digitaler Bürgerbeteiligung

von Steffen Greschner am 24. Januar 2013

*update*
Wir haben die Liste von Software-Anbietern zu digitaler Bürgerbeteiligung nochmals erweitert.
*update ende*

UDL Digital hat sich heute dem Thema “Neue Geschäftsmodelle dank E-Government” gewidmet. In erster Linie wird dabei betrachtet, welche finanziellen Möglichkeiten offene Daten, z.B. aus Verwaltungen, auch dem privaten Wirtschaftssektor bieten.

Erste Versuche digitale Beteiligung als Geschäftsmodell zu verstehen, gibt es in Deutschland inzwischen einige. Wir haben die bekanntesten Tools und Anbieter zu E-Partizipation und Co aufgelistet:

Die Werdenktwas GmbH ist eine Ausgründung der Technischen Universität Darmstadt, die inzwischen ein ganzes Bürgerbeteiligungs-Softwarepaket für Städte und Gemeinden anbietet: Das reicht vom Mängelmelder über Bürgerhaushalte, bis zur digitalen Bürgersprechstunde. Vor allem der Mängelmelder wird bereits in einigen Gemeinden eingesetzt.

Unser Partner Parteezy beispielsweise bietet eine Plattform für Bürgerbeteiligung auf kommunaler Ebene an. Dahinter steht die KBB Kommunalberatung GmbH und ein ehemaliger Bürgermeister, der hauptsächlich in Süddeutschland aktiv ist.

eOpinio bietet ebenfalls technische Lösungen, um die Bürgerschaft mitsprechen zu lassen. Die eOpinio GmbH bezeichnet sich selbst als innovatives Meinungsforschungsunternehmen und besteht aus einem Team von auffallend jungen Köpfen. Ein klassisches StartUp, mit Unterstützung der Justus-Liebig-Universität Gießen  .

dito 6.0 ist ein Produkt der ontopica GmbH. dito wurde bis 2006 vom Fraunhofer Institut IAIS entwickelt und bietet recht umfangreiche Möglichkeiten digitaler Beteiligung und Bürgerdialoge. Die Referenzliste der Softwarelösung ist inzwischen ganz ansehnlich.

Die DialogBox ist eine Softwarelösung, die dieses Frühjahr vorgestellt wurde. Entwickelt von der ]init[ Aktiengesellschaft für digitale Kommunikation und gefördert durch den Bund, bietet die Dialogbox einige spannende Möglichkeiten im Bereich Social Media Integrationen. Ebenfalls spannend ist die angebotene Plattform politik.de.

die Zebralog GmbH & Co KG bietet zwar keine einheitliche Plattform an, hat sich allerdings im Bereich digitaler Beteiligung spezialisiert. Mann könnte das Unternehmen fast als Full-Service-Agentur bezeichnen. Von Technik, über Moderation, bis hin zu Gutachten und Konzeption bietet zebralog das komplette Programm digitaler Beteiligungsformen an.

WeThinq ist ein Beteiligungs-Tool, das sich in der Selbstdarstellung allerdings eher an Organisationen und Unternehmen richtet. Entwickelt wurde das Tool von der crisscrossed GmbH, deren Gründer auch Frankfurt-gestalten.de ins Leben gerufen hat.

Zivilarena wurde von der Firu mbH und der Bulwiengesa AG ins Leben gerufen – beides Beratungsdienstleister im Infrastruktur-, Bau- und Immobilienwesen. Zivilarena bietet eine “Plattform für Bürgerbeteiligung in Bau- und Infrastrukturprojekten. Zivilarena fördert den konstruktiven Dialog zwischen den planenden Instanzen – Kommunen, Investoren, Liegenschaftseignern – und denjenigen Personen, die diese Planung betrifft.”

Die DEMOS Gesellschaft für E-Partizipation bietet zwar keine universelle Beteiligungsplattform, hat allerdings bereits einige spannende Projekte umgesetzt. Ein gutes Beispiel ist bob-sh.de – eine Beteiligungsplattform für Gemeinden in Schleswig Holstein, um Bau- und Planverfahren zu optimieren.

Ebenfalls eng mit DEMOS verzahnt, ist das Tool der Binary Objects GmbH. Laut Selbstdarstellung ist die “discours machine” das am weitesten verbreitet E-Partizipations-Tool in Deutschland. Die Referenzliste ist zumindest sehr umfangreich mit einigen spannenden Projekten von Bürgerhaushalten bis zu Diskussionsrunden.

Behörden Online Systemhaus GmbH ist einer der Bigplayer, der viele Behörden mit Softwarelösungen versorgt. Als Teil der Medien Union, einem Süddeutschen Zeitungsverlag mit rund 1,5 Mrd Umsatz, bietet bol inzwischen auch das Tool Bürger 2.0 an. Eine klassische Bürgerbeteiligungsplattform. Mit der MeldeApp bietet bol ein ähnliches Smartphone Tool, wie den Mängelmelder.

Die HYVE Innovation Community GmbH ist eher eine Online-Agentur, die aber auch eine Open-Government Lösung anbietet. Außerdem bietet Hyve einige spannende Lösungen für Wissensmanagement und kreative Beteiligungsprozesse.

BürgerWissen bietet eine ganze Reihe verschiedener Tools und Lösungen rund um digitale Beteiligung. Von Bürgerhaushalten, über Beteiligungsverfahren und begleiteten Umfragen, arbeitet das relativ kleine Team an vielen neuen Lösungen.

direktzu der relevantec GmbH ist eher ein Kommunikations- denn ein Bürgerbeteiligungstool. In der Selbstbeschreibung heißt es dazu: “direktzu® bündelt und priorisiert Feedback und Meinungen so, dass eine kontinuierliche, direkte Kommunikation zwischen großen Gruppen und einem Adressaten ohne viel Aufwand möglich wird.”

Die KDO Service GmbH ist die Unternehmung des Zweckverband Kommunale Datenverarbeitung Oldenburg (KDO). Das Tool für einen Bürgerhaushalt kann in einer Demoversion angeschaut werden. Wirklich überzeugen kann es leider nicht.

Der Beteiligungsserver bietet ebenfalls Lösungen, um in erster Linie Bauverfahren online zu begleiten. Angeboten wird das Tool von b-Planpool. Leider ist die Webseite wenig aussagefähig und wir haben nicht hundert Prozent verstanden, wie das ganze funktioniert.

Auf der anderen Seite gibt es Beteiligungs-Tools, die kostenlos angeboten werden. Liquid Feedback und Adhocracy sind dabei die bekanntesten. Echo sieht vielversprechend aus, wir haben aber noch keine Erfahrung damit. Etwas weniger bekannt und auch (partei)politisch motiviert ist New Democracy, das von der liberalen Basis nur an liberale Projekte abgegeben wird.

Die Open Knowledge Foundation arbeitet an verschiedensten Projekten im Bereich Wissen und Beteiligung. Eine Landkartenübersicht über verschiedenste politische digitale Beteiligungsverfahren bietet meine-demokratie.de.

International tut sich auch einiges, wobei das hier den Rahmen sprengen würde. Genannt wurden uns aber beispielsweise delib.net und mysociety.org.

Falls wir noch welche vergessen haben – was wir bestimmt haben – gerne per Mail an info (at) xpolitics (.) de oder in den Kommentaren posten.

Die Suche nach neuer Politik im Internet

von Steffen Greschner am 8. Januar 2013

Einen sehr ausführlichen Artikel zu den politischen Veränderungen durch das Internet hat The Economist veröffentlicht. (Everything is connected – Can internet activism turn into a real political movement?)

Spannend sind die Parallelen zwischen der grünen Bewegung in den 80ern und den Zielen der Netzaktivisten heute . Mit dem Unterschied, dass es heute nicht mehr darum geht neue (Umwelt)ministerien und Co zu erzwingen, sondern im Gegenteil vielmehr darum Bürokratie abzubauen und barrierefreie Zugänge zu schaffen und zu erhalten:

It is possible that the lasting influence of the net movement will be in providing new tools and tactics for people with other political aims. All political protest and novelty now has a social-media face, whether it be that of the tea party, the Occupy movement or the Muslim Brotherhood in Egypt; all seek the fast-multiplying effect that the internet can add to activism and uprisings. Experiments in “delegative democracy” like Liquid Feedback may rewire the way politics works from the inside, as well as speed things up. In Germany other parties are experimenting with such systems; something similar powers Italy’s populist Five Star Movement.

Anders als in den 80ern geht es heute darum Politik und demokratische Beteiligung neu zu denken, anstatt sich innerhalb des politischen Parteiensystems einen Platz zu erkämpfen. Welche Probleme das mit sich bringt, erfahren vor allem die Piraten in der letzten Zeit.

UDL Digital hat sich heute dem Thema “Neue Geschäftsmodelle dank E-Government” gewidmet. In erster Linie wird dabei betrachtet, welche finanziellen Möglichkeiten offene Daten, z.B. aus Verwaltungen, auch dem privaten Wirtschaftssektor bieten.

Erste Versuche digitale Beteiligung als Geschäftsmodell zu verstehen, gibt es in Deutschland inzwischen einige. Wir haben die bekanntesten Tools und Anbieter zu E-Partizipation und Co aufgelistet:

Die Werdenktwas GmbH ist eine Ausgründung der Technischen Universität Darmstadt, die inzwischen ein ganzes Bürgerbeteiligungs-Softwarepaket für Städte und Gemeinden anbietet: Das reicht vom Mängelmelder über Bürgerhaushalte, bis zur digitalen Bürgersprechstunde. Vor allem der Mängelmelder wird bereits in einigen Gemeinden eingesetzt.

Unser Partner Parteezy beispielsweise bietet eine Plattform für Bürgerbeteiligung auf kommunaler Ebene an. Dahinter steht die KBB Kommunalberatung GmbH und ein ehemaliger Bürgermeister, der hauptsächlich in Süddeutschland aktiv ist.

eOpinio bietet ebenfalls technische Lösungen, um die Bürgerschaft mitsprechen zu lassen. Die eOpinio GmbH bezeichnet sich selbst als innovatives Meinungsforschungsunternehmen und besteht aus einem Team von auffallend jungen Köpfen. Ein klassisches StartUp, mit Unterstützung der Justus-Liebig-Universität Gießen  .

dito 6.0 ist ein Produkt der ontopica GmbH. dito wurde bis 2006 vom Fraunhofer Institut IAIS entwickelt und bietet recht umfangreiche Möglichkeiten digitaler Beteiligung und Bürgerdialoge. Die Referenzliste der Softwarelösung ist inzwischen ganz ansehnlich.

Die DialogBox ist eine Softwarelösung, die dieses Frühjahr vorgestellt wurde. Entwickelt von der ]init[ Aktiengesellschaft für digitale Kommunikation und gefördert durch den Bund, bietet die Dialogbox einige spannende Möglichkeiten im Bereich Social Media Integrationen. Ebenfalls spannend ist die angebotene Plattform politik.de.

die Zebralog GmbH & Co KG bietet zwar keine einheitliche Plattform an, hat sich allerdings im Bereich digitaler Beteiligung spezialisiert. Mann könnte das Unternehmen fast als Full-Service-Agentur bezeichnen. Von Technik, über Moderation, bis hin zu Gutachten und Konzeption bietet zebralog das komplette Programm digitaler Beteiligungsformen an.

WeThinq ist ein Beteiligungs-Tool, das sich in der Selbstdarstellung allerdings eher an Organisationen und Unternehmen richtet. Entwickelt wurde das Tool von der crisscrossed GmbH, deren Gründer auch Frankfurt-gestalten.de ins Leben gerufen hat.

Zivilarena wurde von der Firu mbH und der Bulwiengesa AG ins Leben gerufen – beides Beratungsdienstleister im Infrastruktur-, Bau- und Immobilienwesen. Zivilarena bietet eine “Plattform für Bürgerbeteiligung in Bau- und Infrastrukturprojekten. Zivilarena fördert den konstruktiven Dialog zwischen den planenden Instanzen – Kommunen, Investoren, Liegenschaftseignern – und denjenigen Personen, die diese Planung betrifft.”

Die DEMOS Gesellschaft für E-Partizipation bietet zwar keine universelle Beteiligungsplattform, hat allerdings bereits einige spannende Projekte umgesetzt. Ein gutes Beispiel ist bob-sh.de – eine Beteiligungsplattform für Gemeinden in Schleswig Holstein, um Bau- und Planverfahren zu optimieren.

Behörden Online Systemhaus GmbH ist einer der Bigplayer, der viele Behörden mit Softwarelösungen versorgt. Als Teil der Medien Union, einem Süddeutschen Zeitungsverlag mit rund 1,5 Mrd Umsatz, bietet bol inzwischen auch das Tool Bürger 2.0 an. Eine klassische Bürgerbeteiligungsplattform. Mit der MeldeApp bietet bol ein ähnliches Smartphone Tool, wie den Mängelmelder.

Die HYVE Innovation Community GmbH ist eher eine Online-Agentur, die aber auch eine Open-Government Lösung anbietet. Außerdem bietet Hyve einige spannende Lösungen für Wissensmanagement und kreative Beteiligungsprozesse.

BürgerWissen bietet eine ganze Reihe verschiedener Tools und Lösungen rund um digitale Beteiligung. Von Bürgerhaushalten, über Beteiligungsverfahren und begleiteten Umfragen, arbeitet das relativ kleine Team an vielen neuen Lösungen.

direktzu der relevantec GmbH ist eher ein Kommunikations- denn ein Bürgerbeteiligungstool. In der Selbstbeschreibung heißt es dazu: “direktzu® bündelt und priorisiert Feedback und Meinungen so, dass eine kontinuierliche, direkte Kommunikation zwischen großen Gruppen und einem Adressaten ohne viel Aufwand möglich wird.”

Die KDO Service GmbH ist die Unternehmung des Zweckverband Kommunale Datenverarbeitung Oldenburg (KDO). Das Tool für einen Bürgerhaushalt kann in einer Demoversion angeschaut werden. Wirklich überzeugen kann es leider nicht.

Der Beteiligungsserver bietet ebenfalls Lösungen, um in erster Linie Bauverfahren online zu begleiten. Angeboten wird das Tool von b-Planpool. Leider ist die Webseite wenig aussagefähig und wir haben nicht hundert Prozent verstanden, wie das ganze funktioniert.

Auf der anderen Seite gibt es Beteiligungs-Tools, die kostenlos angeboten werden. Liquid Feedback und Adhocracy sind dabei die bekanntesten. Echo sieht vielversprechend aus, wir haben aber noch keine Erfahrung damit. Etwas weniger bekannt und auch (partei)politisch motiviert ist New Democracy, das von der liberalen Basis nur an liberale Projekte abgegeben wird.

Die Open Knowledge Foundation arbeitet an verschiedensten Projekten im Bereich Wissen und Beteiligung. Eine Landkartenübersicht über verschiedenste politische digitale Beteiligungsverfahren bietet meine-demokratie.de.

International tut sich auch einiges, wobei das hier den Rahmen sprengen würde. Genannt wurden uns aber beispielsweise delib.net und mysociety.org.

Falls wir noch welche vergessen haben – was wir bestimmt haben – gerne per Mail an info (at) xpolitics (.) de oder in den Kommentaren posten.

Warum Bürgerbeteiligung mit Parteidenken kollidiert

von Steffen Greschner am 5. September 2012

Die Berliner Piratenpartei startet liquid Feedback erstmals auf Stadtteil-Ebene. Im Bezirk Pankow steht die Beteiligungssoftware kurz vor dem Start:

Das sogenannte Bezirksliquid ist das System Liquid Feedback auf Pankower Ebene. Wer im Bezirk gemeldet und Mitglied der Piratenpartei ist, kann mitmachen. Zum Systemstart wollen wir rund 10% der 500 Pankower Mitglieder akkreditiert haben (..). Damit sind wir die ersten, die auf Bezirksebene ein solches System einführen, das nicht mit Pseudonymen, sondern mit den bürgerlichen Namen der Teilnehmerinnen und Teilnehmer arbeitet.

Was Schade ist, ist dass auch die Piratenpartei inzwischen im politischen Lagerdenken angekommen ist. “Mitmachen darf nur, wer Parteimitglied ist”, ist vom eigentlichen Liquid Democracy Gedanken sehr weit entfernt.

Auch wenn es dem tradierten Vereins-, Lobby- und Parteidenken momentan wohl noch entgegenspricht, sind wir gespannt, wann die erste unpolitische Partei in Deutschland auftaucht.

Eine Piratenpartei ohne eigenes Programm, die einfach nur Plätze im Parlament besetzt und über Liquid Feedback (oder ähnliche Beteiligungsprogramme) die Bürgermeinung abfragt, Ideen und Vorschläge aus der Bürgerschaft aufgreift und einbringt und als Kontrollorgan funktioniert. Mitmachen darf jeder, der sich engagieren möchte.

Unabhängig von politischen Richtungen – am Ende zählt die Mehrheit. Eine “Nicht-Partei” als im Bezirksparlament vertretener Platzhalter für die aktuellste Meinung der Bürgerschaft.

Nicht alles Gold was glänzt: Beteiligung braucht Struktur

von Steffen Greschner am 9. August 2012

Die Süddeutsche hat in einem Artikel die alltägliche Social-Media-Empörung als neues Prinzip politischer Debatten ausgemacht:

Doch es bleibt ein schales Gefühl zurück. Empörung bedeutet, man erhebt sich über die anderen, urteilt über sie. Das braucht eine Gesellschaft regelmäßig, um sich ihrer Normen zu vergewissern. Im besten Fall markiert die Empörung den Anfang einer konstruktiven Diskussion; an deren Ende sind die Grenzen des gesellschaftlich Zulässigen wieder justiert. Doch tatsächlich haben die Empörungswellen der letzten Zeit nur wenig geklärt. Einem Stakkato der Erregung folgte nur das jeweils nächste.

Damit hat der Autor nicht ganz unrecht. Wir haben schon vor einiger Zeit ähnliches beschrieben: Politischer Diskurs in sozialen Netzwerken: Protest ist schnell organisiert. Nervt aber auch schneller. Die nachfolgenden konstruktiven Debatten bleiben teilweise auf der Strecke.

Gerade das sollte sich Politik zur Aufgabe der nächsten Jahre machen. Möglichkeiten entwickeln, die einen gemeinsamen Diskurses im Netz erlauben und die Ergebnisse in den politischen Alltag  übertragen. Bisher sind die Piraten mit mutigen Versuchen leider noch mit die Einzigen. Auch wenn es manchmal Streit gibt.

AdHocracy fördert digitale Bürgerbeteiligung im Lokalen

von Steffen Greschner am 9. August 2012

Langsam kommen immer mehr auf den Trichter, dass digitale Bürgerbeteiligung im lokalen Umfeld am besten aufgehoben ist. (Lokalpolitik 2.0: den Bürgern eine starke Lobby geben)

Heute haben auch die Macher der Beteiligungssoftware AdHocracy eine bundesweite Einführung auf lokaler Ebene verkündet, die auf den Namen OffeneKommune.de hört:

Das Konzept der OffenenKommune basiert auf dem zunehmenden Bedürfnis nach Beteiligung der Bürger und Bürgerinnen an kommunalen Entscheidungsfindungsprozessen. Dabei stellt OffeneKommune eine neutrale, kommunale Infrastrukturplattform dar, die zum Ziel hat, Raum für einen direkten und nachhaltigen Dialog zwischen Bürgern, Interessengemeinschaften und Kommunen zu bieten.

Allen Beteiligten wird dabei die Möglichkeit gegeben, frühzeitig und auf gleicher Augenhöhe, gemeinsam über kommunale Anliegen zu diskutieren und Lösungskonzepte zu erarbeiten. Dies kann sowohl in aktiver, als auch in passiver Rolle geschehen: Bereits bestehende Texte können studiert und verfolgt oder auch eigene Vorschläge und Kommentare eingebracht werden.

OffeneKommune.de basiert auf der Open Source Beteiligungssoftware Adhocracy, die vom Liquid Democracy e.V.. entwickelt wird. Durch Adhocracy werden nachhaltige und demokratische Diskurse, sowie eine selbstverwaltete Nutzung gewährleistet.

Im Anbieterbereich für Softwarelösungen digitaler Bürgerbeteiligung ist gerade einiges an Bewegung. Vor allem im lokalen Umfeld:

In Baden-Württemberg versucht Parteezy die Rathäuser kleinerer Städte und Gemeinden zu überzeugen. In Bayern ist New Democracy für bessere Teilhabe in FDP-Ortsverbänden an den Start gegangen. Liquid Feedback, die Software Piraten, wird ab Herbst 2012 auch lokal vom Landkreis Friesland getestet.

Bayern-FDP launcht den “New Democracy”-Piraten

von Steffen Greschner am 25. Juli 2012

Es ist immer wieder beeindruckend, welche Bewegung aktuell in der Neugestaltung demokratischer Prozesse ist. In Karlsruhe hat man die Bundesregierung zum demokratischen Nachsitzen geschickt, während sich die FDP in Bayern von den Piraten inspirieren lässt und unter dem Titel “New Democracy” eine neue Onlineplattform zur Mitgliederbeteiligung testet:

“New Democracy” setzt neue Maßstäbe bei der Beteiligung von Öffentlichkeit und Mitgliedern an der inhaltlichen Arbeit der Partei. Das System ermöglicht einen  unkomplizierten, demokratischen und offenen Dialog und bietet neue Wege des politischen Engagements.

Die FDP war schon immer Vorreiter bei der Mitglieder- und Bürgerbeteiligung: Als einzige Partei hat sie die die Möglichkeit eines Mitgliederentscheids über Sachfragen in der Satzung verankert. Als erste Partei stellt sie seit 2002 ihr Bundestagswahlprogramm vor der Verabschiedung online allen Bürgern zur Diskussion.  Die FDP Bayern macht nun den nächsten Schritt und startet „New Democracy“.

Die Plattform ermöglicht die einfache Erstellung, Bearbeitung, Diskussion und Abstimmung über Anträge. Der Landesfachausschuss für Netzpolitik hat das System im Pilotversuch erprobt und erarbeitet damit den netzpolitischen Teil des liberalen Landtagswahlprogramms. New Democracy wird künftig auch anderen Gremien und Gliederungen der FDP Bayern zur Verfügung stehen.

Der Pressevorstoß und die Hofberichterstattung von WeltOnline, stößt Christoph Lauer dagegen sauer auf. Lauer ist wohl einer der lautesten Berliner Piraten und Verfechter der dort eingesetzten Beteiligungssoftware “Liquid Feedback“. Sein heutiger Blogbeitrag ist lesenswert:

Die ND-Pressekonferenz der bayrischen FDP ist außer nem Marketingstunt also nichts gewesen. Was wirklich schmerzt ist aber, dass so eine Show unkritisch in die Mainstreammedien einzieht. Zu behaupten ND hätte auch nur irgendwas mit LiquidFeedback oder LiquidDemocracy zu tun ist in etwa so, als würde ich einen Bobbycar als Atom-U-Boot verkaufen.

Wir haben uns selbst noch kein Bild der New Democracy Software gemacht, werden das aber in den nächsten Tagen nachholen. Die Software selbst wird von einem Verein namens “Liberale Basis e.V.” in Umlauf gebracht.

Lässt man die System- und Parteistreitigkeiten außen vor, zeigt der Schritt der FDP aber deutlich, wie tief die Themen Mitsprache, Bürgerbeteiligung und Transparenz inzwischen in den politischen Köpfen verwurzelt sind.

Lokalpolitik 2.0: Den Bürgern eine starke Lobby geben

von Steffen Greschner am 22. Juli 2012

[x Politics] schreibt immer Sonntags einen Gastbeitrag für unsere Partner von istlokal.de, ein Netzwerk verlagsunabhängiger Lokalnachrichten-Blogs. Durch die Lokalisierung werden manche Entwicklungen deutlicher und besser verständlich. So auch der geschichtsträchtige Versuch in Friesland mit “Liquid Friesland” den Bürgern eine eigene Lobby zu geben. Der Artikel ist bisher am Tegernsee und in Weinheim erschienen:

Den Bürgern eine starke Lobby geben

Weinheim/Rhein-Neckar, 19. Juli 2012. (red/la/tegernseerstimme.de) Morgen findet der “Bürgerdialog” zum Gewerbegebiet Breitwiesen statt. Deutschlandweit wächst der Wunsch nach mehr Bürgerbeteiligung – nicht nur in Weinheim. Wir stellen daher einen Beitrag unseres bayerischen Partnerblogs “Tegernseer Stimme” vor, der auch für Weinheim und andere Gemeinden in der Region Denkanstöße bietet. Viel Spaß beim Kennenlernen dieser interessanten Variante der Bürgerbeteiligung.

Von Steffen Greschner

Die Suche nach neuen Formen der Bürgerbeteiligung beschäftigt die Politik. Landauf, landab wird nach Möglichkeiten gesucht, den Menschen eine Stimme zu geben. Egal, ob am Tegernsee, in Berlin oder in Weinheim. Selbst die Bundeskanzlerin traf sich vergangene Woche beim Dialog über Deutschland mit Bürgern, um deren Ideen und Wünsche zu diskutieren.

Der Wunsch, sich einzubringen und gehört zu werden, wächst – auch im hohen Norden, in Friesland, hat man darauf reagiert. Möglicherweise eine wegweisende Entwicklung für die Lokalpolitik der Zukunft.

Bürgerbeteiligung darf nicht nur Alibi sein

Vieles davon wird als Alibidebatte angesehen, als eine Möglichkeit, lediglich das Gefühl zu vermitteln, mitsprechen zu können. Einmal diagonal durch Deutschland, weit entfernt vom Tegernseer Tal oder Weinheim, wie es weiter nicht geht, passiert dagegen etwas, was zukunftsweisend für die Lokalpolitik werden könnte: In Friesland wird ab Herbst dieses Jahres die Beteiligungssoftware “Liquid Feedback” eingesetzt.

Liquid Feedback ist eine Software, die es ermöglicht, in Echtzeit und gemeinsam an neuen Ideen und Dokumenten zu arbeiten und über bestehende Vorschläge abzustimmen. In einem auf ein Jahr begrenzten Pilotprojekt soll den Friesländern unter dem Projektnamen Liquid Friesland so eine direkte politische Beteiligung in ihrem Landkreis ermöglicht werden.

In der letzten Woche haben bereits der Spiegel, die TAZ, das Hamburger Abendblatt und viele andere Medien darüber berichtet. Das Mutigste und Cleverste an dem ostfriesischen Projekt versteckt sich aber in der Beschlussvorlage, die am 11. Juli dem Kreistag zur Abstimmung vorgelegt wurde (PDF). In der Vorlage ist ein Kunstgriff gelungen, der die Entscheidungsfindung in der Lokalpolitik dauerhaft verändern könnte. Ohne irgendetwas an bestehenden Gesetzen und Verfassungen zu ändern, hat man eine Möglichkeit zur Bürgerbeteiligung geschaffen, die eigentlich lange überfällig war:

  • Die Organisation zusätzlicher Bürgerbeteiligung mit Online-Instrumenten hat deshalb zu gewährleisten, dass dieser faktische Einfluss auf der einen Seite abgebildet wird und gleichzeitig die gesetzlich vorgegebenen Entscheidungsregeln (formale Beschlüsse durch Kreisgremien) nicht ausgehebelt werden. Dieses beachtend, schlägt die Kreisverwaltung für wichtige Themen in eigener Zuständigkeit des Landkreises, die Belange der örtlichen Gemeinschaft betreffen, vor:
  • Vorlagen für die Gremien, parallel in “Liquid Feedback” zur Diskussion und Abstimmung zu stellen und so ein Meinungsbild zu erzeugen und
  • Initiativen aus dem Nutzerkreis, die im Internet die erforderlichen Quoren gewonnen haben, als Anregung nach § 34 NKomVG und § 8 Abs. 4 der Hauptsatzung des Landkreises Friesland zu behandeln.

Was da so trocken klingt, ist eine wirklich spannende Lösung, die auch in der Metropolregion Rhein-Neckar funktionieren würde und einige Debatten und Diskussionen sicherlich positiv verändern könnte.

Man muss sich den Vorgang folgendermaßen vorstellen: Der Gemeinderat tagt wie bisher auch. Mit dem Unterschied, dass alle Beschlussvorlagen einige Zeit vor der Sitzung bereits im Netz einsehbar sind und von interessierten Bürgern diskutiert werden können. Die Bürger selbst können also neue Vorschläge oder Änderungswünsche einbringen. Am Ende wird von den Bürgern über die anstehenden Punkte der nächsten Sitzung abgestimmt.

Ergebnisse der Bürgerabstimmung sind nicht verbindlich

Die Ergebnisse der Bürgerabstimmung sind allerdings weder für das Rathaus noch für den Gemeinderat in irgendeiner Art und Weise verbindlich. Aber in Friesland hat man sich verpflichtet, die Bürgermeinung vor jeder Abstimmung in den Gemeinderäten zu verkünden. Die Meinung der Bürger bekommt damit formal einfach nur den gleichen Stellenwert wie beispielsweise die offiziellen Stellungnahmen des Bund Naturschutz, die Stellungnahme der Schutzgemeinschaft oder anderer Lobbygruppen, wie sie beispielsweise bei Bauvorhaben vorgetragen werden.

In der Realität sähe das so aus: Bevor die Gemeinderäte in Weinheim beispielsweise über das Schicksal der Breitwiesen entschieden hätten, wäre bereits von den Weinheimer Bürgern darüber abgestimmt worden. Es wären wohl Gegenvorschläge ausgearbeitet und ebenfalls diskutiert und darüber abgestimmt worden. Am Ende, im Gemeinderat, wird die Meinung der Bürger vor der Abstimmung verkündet: “Beteiligt haben sich xy Bürger. xy % stimmten für JA, xy % für NEIN. xy % würden für JA stimmen, wenn man folgende Änderungen in den Beschluss übernimmt.”

Den Bürgern eine eigene Lobby geben

Welche Auswirkungen das auf die Entscheidungen haben kann, wird man in Friesland mitverfolgen können. Klar ist aber, dass die Meinung der Menschen so viel schwerer ignoriert werden kann. Außerdem ergibt sich die Chance, dass kleine Projektgruppen interessierter Bürgern jederzeit eigene Ideen und Vorschläge ausarbeiten können. Finden sich dafür genügend Unterstützer aus der Bevölkerung, die den Vorschlag mit JA bewerten, muss der Vorschlag auch in den Gemeinderäten diskutiert werden. Wie die Räte darüber am Ende entscheiden, bleibt natürlich den gewählten Vertretern überlassen.

Ohne direkt und rechtlich verbindlich mitbestimmen zu können, wird der “Lobby der Bürger” durch die Bekanntgabe der aktuellen Stimmungsbilder also ein sehr hoher “emotionaler” und vor allem dauerhafter Stellenwert eingeräumt und nicht erst bei Bürgerentscheiden und Protestaktionen – die jede Menge Nerven und Zeit kosten und in Weinheim den Steuerzahlter aktuell 40.000 Euro für den “Bürgerdialog”.

Dagegen wird sich kein Lokalpolitiker auf Dauer verwehren können. Aus dem einfachen Grund: Rechtlich verbindlich oder nicht – kein Politiker stellt sich schließlich gerne, und in Friesland in Zukunft sogar wissentlich, gegen die Mehrheit seiner potenziellen Wähler.

Wer sich einer umfassenden Bürgerbeteiligung verschließt, muss sich hingegen fragen lassen, ob er nicht wissen möchte, was seine Wählerinnen und Wähler wollen.

Bürgerportal “Liquid Friesland” einstimmig beschlossen

von Steffen Greschner am 11. Juli 2012

Heute war es so weit: In Friesland hat der Kreistag über die Einführung der Beteiligungs-software Liquid Feedback abgestimmt. Das erfreuliche Ergebnis: Einstimmig haben die Abgeordneten die Einführung von “Liquid Friesland” im November diesen Jahres beschlossen, wie es in der Pressemeldung von heute Nachmittag heißt:

Jever – “Für diese breite Unterstützung unserer Kreistagsabgeordneten bin ich sehr dankbar”, sagte Frieslands Landrat Sven Ambrosy nach der Abstimmung, “dieser Tag hat noch einmal ganz deutlich gezeigt: Alle gemeinsam machen wir uns hier auf den Weg zu noch mehr Transparenz und Bürgernähe.” Nach der Entscheidung des Kreistages ist der Weg frei für die Einführung der Software LiquidFeedback zur Online-Bürgerbeteiligung. Nachdem ergänzende Programmierarbeiten abgeschlossen sind, soll die Plattform unter dem Namen “LiquidFriesland” im November für alle Friesländerinnen und Friesländer zugänglich sein.

“LiquidFriesland ist ein zusätzlicher Kanal für unsere Bürgerinnen und Bürger, ihre Beteiligungsrechte wahrzunehmen”, sagte Landrat Sven Ambrosy. Natürlich sei nach wie vor jedermann eingeladen, auch die traditionellen Wege per Brief, E-Mail oder Unterschriftenliste zu gehen, “aber mit einem zusätzlichen Kanal im Netz öffnen wir die Kreispolitik hoffentlich auch für zusätzliche Beteiligung”.

Die Kreisverwaltung wird den Einsatz der Software mit den entsprechenden Beteiligungsparagraphen in der Niedersächsischen Kommunalverfassung verknüpfen und dafür sorgen, dass sowohl Meinungsbilder über die Pläne der Verwaltung als auch eigene Initiativen der Bürgerinnen und Bürger aus dem Online-Portal in die Beratungen und Entscheidungen der Fachausschüsse und des Kreistages eingehen. “Deutschlandweit sind wir die ersten, die diesen Weg gehen – das wird ein spannendes Experiment, und ich freue mich darauf”, sagte Landrat Sven Ambrosy.

Damit hat der Landkreis Friesland einen Teil Politikgeschichte geschrieben. Noch nie war es in Deutschland Bürgern möglich über das Internet über anstehende Entscheidungen der Lokalpolitik abzustimmen und selbst aktiv Vorschläge einzubringen.