Lokale Initiativen gegen Nahrungsmittelspekulationen

von Steffen Greschner am 10. Mai 2012

Immer Sonntags schreibt [x Politics] einen Gastartikel auf der Tegernseer Stimme. Es geht darin meist um Ansätze und Ideen, die gestartet im lokalen Umfeld, langfristig für direkt Veränderung im ganz persönlichen (politischen) Alltag sorgen können.

Der letzte Artikel passt thematisch gut zu einem aktuellen Artikel der Süddeutschen “Die Allianz als Hungermacher“, in dem es um Lebensmittel als Spekulationsobjekt geht. Vor allem die Spekulationen der deutschen Allianz geraten dabei stark in die Kritik.

Manche kleine Bewegungen setzen sich dem schon länger entgegen. In oftmals Bio- und Öko angehauchten Konzepten, steckt aber teilweise auch die Chance auf die globalen Finanzmärkte direkten Einfluss zu nehmen:

Wir leben in einem ländlichen Gebiet. Viele Bauern, viele Kühe, viel Grün. Traktoren auf der Straße, Almabtrieb im Herbst. Der Blick aus dem Fenster sieht für manchen von uns aus wie das aktuelle Cover der Landlust.

Wenn man es genau nimmt, ist die Landlust am Tegernsee aber auch nicht viel mehr als eine Fassade. Spätestens beim Einkauf hört das Landleben wieder auf: Tomaten aus Spanien, Spargel aus Baden, Milch von irgendwo in Deutschland. Vom Bauer um die Ecke merkt man in Aldi, Tengelmann & Co. nicht viel.

Genau an diesem Punkt setzt ein Landwirtschaftskonzept an, das immer mehr Anhänger gewinnt. Hinter der Abkürzung CSA – „Community supported agriculture“ – oder unter der sperrigen deutschen Bezeichnung „Gemeinschaftsgetragene Landbaukultur“ steht der Gedanke, sich aus seinem direkten Umfeld mit Nahrungsmitteln versorgen zu lassen.

Flatrate für Nahrungsmittel

In einer Art Hofgemeinschaft beteiligen sich Menschen aus der Nachbarschaft eines Bauernhofs an dessen Betrieb, indem sie „Nahrungsmittel-Flatrates“ kaufen und dadurch im Idealfall die komplette Produktion des Bauernhofs direkt im nahen Umfeld aufgeteilt wird.

Die „Flatrates“ laufen über einen festgelegten Zeitraum (6-12 Monate), um so dem Bauern eine gewisse Planungssicherheit zu geben. Auf diese Weise gelangen Nahrungsmittel, ohne Umweg über den Supermarkt, direkt zum Verbraucher:

Bei diesem Konzept werden die Lebensmittel der Landwirtschaft nicht mehr über den Markt vertrieben, sondern fließen in einen eigenen, von Teilnehmerseite mit organisierten und finanzierten, durchschaubaren Wirtschaftskreislauf. Es soll allen Teilnehmern ersichtlich werden, wohin ihr Geld fließt und welche Kosten anfallen. Alle Vermarktungskosten fallen weg. So können Teilnehmer und Produzenten zusammen Landbau- und Ernährungskultur gestalten und gemeinsam die Verantwortung für die Lebensmittelproduktion und Landschaftsentwicklung tragen.

Ziel des Ganzen ist zum einen, dass die Lebensmittel durch die direkte Verteilung nicht mehr Tausende von Kilometer transportiert werden müssen. Außerdem bekommen die Beteiligten der „Hofgemeinschaft“ einen Einblick in die wirklichen Kosten und die Arbeitsabläufe. Viele Höfe bieten beispielsweise „Mitmachtage“ oder „Kindernachmittage“ an, bei denen man sich persönlich überzeugen kann, wie die eigenen Lebensmittel entstehen.

Einige der Höfe arbeiten natürlich „Bio“ – das gehört wohl dazu. Ein nicht zu unterschätzender Punkt hinter dem Konzept ist aber auch, dass Spekulanten so auf ganz natürlichem Wege die Grundlage mit Lebensmitteln zu handeln entzogen wird.

Die Nahrung gelangt auf diese Weise nie in den globalen Handels- und Finanzkreislauf, sondern wird zu dem Wert gehandelt, den sie in ihrem direkten Umfeld wirklich hat.

Die Preise für die Nahrungsmittel-Flatrates“ werden dabei innerhalb der Gemeinschaft festgelegt beziehungsweise vom Bauern so dargestellt, dass er kostendeckend arbeiten kann. Auf dem Hof Pente in Niedersachsen sehen die Monatsbeiträge so aus:

  • 120,- € Beitrag, der zukünftige Weiterentwicklung unterstützt
  • 95,-€ Normalbeitrag
  • 80,-€ Ermäßigter Beitrag (nicht kostendeckend)
  • Kinderbeitrag nach Selbsteinschätzung (im letzten Jahr galt: Babys umsonst und Kinder die Hälfte)

Für diese Beiträge kann Obst, Gemüse, Fleisch, Milch und eben alles, was auf dem Hof Produziert wird, bezogen werden. Allerdings eben auch nur das, was es gerade gibt. Im Winter ist also manchmal eine ganze Weile viel Kohl angesagt – wie es Jahrhunderte ganz normal war in unseren Breitengraden.

Nach Feierabend Schafe optimieren

Und so bedeutet das Ganze natürlich auch einen gewissen Verzicht. Nicht alles ist immer vorhanden. Im Gegenzug klingt es aber auch nach „erdendem Spaß“, wenn man sich die Webseiten einiger Höfe anschaut. So sucht der Bauer vom Hof Gärtnerhof Entrup zum Beispiel ganz aktuell noch Leute, die Lust haben, freitags nach Feierabend die Wertschöpfungskette der Schafe zu optimieren:

Ich freue mich auf lustiges Gespinne auf dem Hof. Und ich verspreche euch, wenn man das Produktionsstadium von “schwangeren Regenwürmern” hinter sich gelassen hat, dann macht es riesigen Spaß, und der Suchtfaktor ist groß! Irgendwann verliert man den Faden dann nur noch beim Reden und nicht mehr beim Spinnen!

Die Wolle wird im Anschluss natürlich an interessierte Mitglieder der Hofgemeinschaft abgegeben.

Das eigentlich Spannende an solchen Konzepten ist aber vielleicht gar nicht mal so sehr der Bio-Gedanke, der für viele dahinter steht. Sondern eher die Chance, sich als lokale Gemeinschaft selbst zu versorgen und damit den Irrsinn weltweiter Nahrungsmittelspekulationen an der Wurzel zu packen. Außerdem kann es für den ein oder anderen bestimmt schön sein, ab und zu mal auf „seinem“ Bauernhof vorbeizuschauen …

Nachhaltig leben eben – das Wort, das vielen wohl langsam zum Hals raushängt.

Anmerkung: Ich bin Mitgründer der Tegernseer Stimme und nach wie vor dort aktiv. Nicht, dass uns hier Intransparenz vorgeworfen wird… ;-)

{ 1 Kommentar }

André Gaufer Mai 11, 2012 um 14:27

Keine Rendite auf Kosten der Ärmsten
Jeder kann auf Geldanlagen verzichten, die Mensch und Umwelt schaden!
Keiner braucht Finanzprodukte, die auf Kosten der Ärmsten mit Nahrungsmitteln spekulieren! Dafür setzt sich die Initiative http://www.handle-fair.de ein!

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