Tauschkreise und Expresswährung als Krisenalternative?

von Steffen Greschner am 16. April 2012

Tauschgeschäfte gelten vielen als deutliche Krisenzeichen und letzte Vorstufe zum Euro-Crash. In Griechenland lässt sich aktuell spannend beobachten, welche Kreativität aber gerade in Krisen stecken kann: immer mehr gut organisierte (onlinebasierte) Tauschkreise sind seit Beginn der Krise entstanden. Selbst der Eintritt für das Nationaltheater in Thessaloniki kann inzwischen in Naturalien beglichen werden:

Ein Theater in Griechenlands zweitgrößter Stadt Thessaloniki ist angesichts zunehmender Armut und Hunger im Land zum Tauschhandel übergegangen. In einer Erklärung des Nationaltheaters Nordgriechenlands hieß es, statt Eintrittskarten sollten die Besucher lang haltbare Nahrungsmittel mitbringen.

Wir hatten uns einige der Tauschkreise bereits letzten Sommer etwas genauer angeschaut (Kreative Griechen entwickeln Euro-Alternativen).

Unter dem Aspekt einer drohenden kompletten Währungskrise erscheint auch die vor einiger Zeit von den Initiatoren der Regionalwährung Chiemgauer erdachte Alternative einer umlaufgebremsten Expresswährung nochmals nachdenkenswert, wie wir es bereits im Februar beschrieben hatten:

Kann eine Komplementärwährung kompletten Staaten aus der Krise helfen? Das schlagen zumindest die Initiatoren der Regionalwährung “Chiemgauer” vor (PDF: Expressgeld statt Euroaustritt). Ihr Ziel ist es damit Lösungen für die aktuellen Krisenstaaten aufzuzeigen:

Umlaufbeschleunigtes und abflussgebremstes Geld könnte die nationale Wirtschaft zusätzlich antreiben – ohne neue Auslandsschulden und ohne ausländische Zuschüsse. Selbsthilfe und Selbstverantwortung des in Not geratenen Landes stünden im Vordergrund anstatt einer immer größer werdenden Abhängigkeit von aßen. Mehr Umsätze würden zu mehr Beschäftigung, weniger Handelsdefizit, weniger Sozialausgaben und mehr Steuereinnahmen führen.
Dabei ist die Grundidee: Wenn kein zusätzliches Geld in die Wirtschaft eingeführt werden kann, weil es sofort wieder abflißt durch Importe oder Geldflucht, muss man das vorhandene Geld besser nutzen, das heiflt Liquiditätsoptimierung in Ökonomensprache, oder Expressgeld in Umgangssprache.

Die Grundlagen für eine dementsprechende Komplementärwährung sind relativ einfach. Die Komplementärwährung ist 1:1 an den Euro gekoppelt. Es macht preislich also keinen Unterschied, ob in Euro oder in der jeweiligen Zweitwährung bezahlt wird. Allerdings bekommt die neue Währung einen “Turboboost” mit auf den Weg. Zwei Faktoren sind dabei entscheidend:

  1. Ein “Umlaufimpuls” (Nutzungsgebühr des Geldes). Dadurch wird der Geldfluß beschleunigt, was die Wirtschaft antreibt.
  2. Eine “Abflußbremse” (Umtauschgebühr bei Wechsel in Euro). So bleibt das Geld im Land, stärkt die regionale Wirtschaft und reduziert das Handelsdefizit.

Im Tauschen steckt nicht immer nur Krise, sondern auch das Potential, Alternativen zum bestehenden Währungs- und Wachstumszwang zu erarbeiten.

Komplementärwährungen können einen sehr ähnlichen Zweck erfüllen und bieten die Chance auf lokaler bis hin zu nationalstaatlicher Ebene Systeme zu entwickeln, die den Euro nicht begraben, sondern als eine ergänzende internationale Währung betrachten.

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