Warum wir eine echte Mediendebatte brauchen

von Steffen Greschner am 10. Oktober 2012

Der Zustand vieler Verlagshäuser ist besorgniserregend. Wenn man sich einige der Meldungen der letzten Wochen anschaut, muss man sich ernsthaft Sorgen machen:

Die WAZ-Mediengruppe, die einen großen Teil der Westdeutschen Tageszeitungen abdeckt hat bereits gut 30% der Redakteure in den letzten Jahren entlassen. Jetzt sind neue Kosteneinsparungen angekündigt:

Das Ziel sei, die Kostenbasis um 20 Prozent zu senken. “Es werden jetzt in den einzelnen Bereichen Kostensenkungspotenziale identifiziert und diskutiert. Am Ende dieses Planungsprozesses wird darüber entschieden, nicht am Anfang”, erklärte die Sprecherin.

Die einst größte Tageszeitung Ostdeutschlands, die Junge Welt, fürchtet um ihre Existenz:

Wie der Verlag mitteilt, wird sich allein in diesem Jahr ein Fehlbetrag von 140.000 Euro ansammeln. Das weitere Erscheinen sei “nicht mehr gesichert”, schreiben die Mitarbeiter ihren Lesern in einem Offenen Brief.

Die dapd, eine von zwei Nachrichtenagenturen in Deutschland, die ein Vollangebot angeboten hatte, meldet Insolvenz an:

Erst Vollgas beschleunigt, dann gegen die Wand gefahren: Die deutsche Nachrichtenagentur dapd beantragt ein Insolvenzverfahren in Eigenverwaltung. Das überrascht umso mehr, als das Unternehmen noch bis vor kurzem sein Angebot stark ausgeweitet und Mitarbeiter eingestellt hatte.

In Nürnberg ist das passiert, was wohl noch in einigen Städten passieren wird. Seit der Insolvenz der Abendzeitung Nürnberg, kommt die komplette Berichterstattung über die Stadt aus einem einzigen Verlagshaus:

Und dann gab es als, wenn man so will, als Gegengewicht zur etablierten Lokalpresse noch den Nürnberger Ableger der Münchner “Abendzeitung”. Nie so kultig-berühmt wie das Münchner Original, auch nie so ertragreich wie die Münchner es zumindest früher waren. Aber welche Rolle sollte das schon spielen in Zeiten, in denen Zeitungen so etwas wie eine Lizenz zum Gelddrucken waren?

Die Debatten, die innerhalb der Gesellschaft über den Zustand der Medien geführt werden, sind mehr als halbherzig und kratzen höchstens an der Oberfläche.

Das Internet frisst die “alten Medien” schneller auf, als es selbst für Ersatz sorgt. Das sollte durchaus zu Diskussionen führen, wie die Meinungsvielfalt auch in Zukunft gesichert werden will. Noch sind die meisten Onlinemedien nicht in der Lage, die traditionellen Massenmedien zu ersetzen.

Für den “Onliner” ist das weniger tragisch. Der hat sich an Blogs und Co. längst gewöhnt. Gerade im lokalen Bereich, ist die Entwicklung aber mehr als besorgniserregend. Dort gibt es noch keinen Ersatz in Form von Blogs oder Onlinemedien. Sollten irgendwann die großen Verlagshäuser in Schieflage geraten, droht ganzen Landstrichen von heute auf Morgen, der Wegfall jeglicher Berichterstattung und der damit einhergehenden politischen Kontrolle.

{ 6 Kommentare }

Arne Petrich Oktober 16, 2012 um 12:18

“Dort (vor Ort) gibt es noch keinen Ersatz in Form von Blogs oder Onlinemedien.” Kann ich leider überhaupt nicht bestätigen. Bei uns läuft es mittlerweile sehr gut.

beste Grüße

Arne Petrich
Jenapolis

Steffen Greschner Oktober 16, 2012 um 12:48

Hallo Herr Petrich,

Jenapolis habe ich mir angeschaut. Das ist genau das, was ich mir für sehr viel mehr Orte wünschen würde. ;-)

Es gibt aber leider auch noch viele ländliche Gebiete, in denen keinerlei Ersatz vorhanden ist. Zumindest noch kein ernstzunehmender.

Viele Grüße
Steffen Greschner

Arne Petrich Oktober 17, 2012 um 09:08

Vielleicht sollte man mal einen Perspektivwechsel durchführen und mal die Leute mitnehmen, die das Neue schon lange versuchen und leben. Ich denke da auch an die L-iz.de oder die http://www.prenzlauerberg-nachrichten.de oder…auch da fallen mir noch einige ein. Gerade aber die Verlage sind es, die einem das Leben schwer machen und sehr oft mit unlauteren Methoden arbeiten. Für mich ist das hier mittlerweile ein Kulturkrieg über den wir hier reden müssten. Die Verlage reden von Rettung, wir von einer neuen Chance. So unterschiedlich können eben die Perspektiven sein. :-)

Michael Freitag Oktober 17, 2012 um 10:54

Ich nehme nun seit Jahren an solchen und anderen Debatten rings um Medien im Netz, sterbende Medien, lebende Medien und Medien-Medien teil. Im Netz, bei Treffen, in persönlichen Gesprächen.

Ich kann dieses unreflektierte Jammern wirklich nicht mehr hören. Und diese „Auflistungen des Todes“ als Beweise nicht mehr sehen. Hinter jedem Anstrich/Namen der hier genannten steckt ein eigenes Problem/Thema.

Die Junge Welt geht vor die Hunde, weil sie am Bedarf junger Menschen vorbei geht/schreibt. Und das nun seit Jahren. Wer dies nicht glaubt, schaue sich einfach die Internetseite an (da müsste eher “alte Welt” drüber stehen).

Eine weitere Nachrichtenagentur hats in Zeiten der “Netzgeschwindigkeit” und der Fülle an Informationen sowie der Konkurrenzsituation offensichtlich einfach nicht gebraucht? Vielleicht war es sogar ein echter unternehmerischer Fehler, den Personalbestand weiter hochzuschrauben? Also in jedem Fall auch kein Zeichen von Niedergang, sondern von Marktsättigung und sich verändernde Informationsströme (unter anderem durch neue lokale Spieler, die keine Nachrichtenagenturen brauchen, denn sie sind selbst vor Ort ^^).

Zur WAZ-Gruppe kann ich weniger sagen – ist mir zu unbekannt und egal. Aber da ich erneut nur „Kostensenkung“ statt „Innovation“ lese, kann ich mir lebhaft vorstellen, was da in den Gemäuern in Essen los ist. Und wer / was da frei nach dem Geschäftsführer-Dreierhopp „Entlassen, Auslagern, Flexibilisieren“ „gesenkt“ wird. Bei manchen Entscheidungen denke ich manchmal, da müssten mal einige Manager „abgesenkt“ werden, statt das schon wieder einer weniger in der Redaktion sitzt oder sich sein Gehalt mit dem Kollegen teilen soll. Was in einem Beruf mit geistiger Arbeit so lange gut geht, bis die Überforderung im Wartezimmer des nächsten Allgemeinmediziners endet.

Nicht falsch verstehen – einfache Marktanalyse jedoch scheint aus der Mode gekommen zu sein, wenn sich alles dem “die Welt geht unter” unterzuordnen hat.

Und die “Neuen”? Also mit diesem Satz hier kann ich wirklich nichts anfangen „Das Internet frisst die “alten Medien” schneller auf, als es selbst für Ersatz sorgt.“

Wer ist denn „das Internet“? Und die alten Medien werden nicht gefressen – sie haben sich statt innovativ nach vorn zu gehen, selbst kaputt gespart, den Absprung (ins Netz) größtenteils zu spät gewagt und statt die Kraft einer kombinierten! Berichterstattung in Print (größere ausführliche Geschichten) und Netz (schnell auf den Punkt plus Ergänzungen wiederum zum Printangebot) entweder zu zögerlich begonnen, da sie um ihre Print-Auflagen fürchteten (welche dennoch einbrechen) UND nicht schon vor Jahren zu einer konzertierten Aktion mit Bezahlsystemen im Netz (gegen Qualität!, die sie leider weggespart haben – sic!) übergegangen sind.

Und über all dies sollte und kann man trefflich debattieren. Allein – es wird nichts nützen, denn das echte verlegerische / unternehmerische Denken ist in diesen alten Hallen kaum noch vorhanden.

Statt unter anderem mit „den Neuen“ zu koexistieren – also in Konkurrenz den Markt gemeinsam zu bespielen – oder gar zu kooperieren, hat man sich aufs Jammern (Lobbyjammern genannt) auf Höchstniveau verlegt. Und da man einen Schuldigen fürs eigene Versagen braucht – ist es schon seit Jahren das Netz, das schuldig ist. Und manchmal auch der undankbare Leser (Publikumsbeschimpfung funktioniert jedoch nur im Theater).

Leider fallen allzu viele auf diese Propaganda herein (wie der Satz „Das Netz frisst … blubb“ beweist).

Fazit: Es wird bald noch mehr Alternativen geben, im Netz, lokal (auch ländlich) und hoffentlich mit schlaueren Ansätzen oder zumindest Weiterentwicklungen der bisherigen. Es steht sogar zu befürchten! ;-) das sich hier und da eingespielte Teams dieser Netzzeitungen (nicht blogs!) auf den Weg machen, neue Printformate herauszugeben ^^.

Und dass alles werden sie mit weit weniger Geld und Abhängigkeiten (siehe Eigentümerstrukturen als Unternehmer) als die Etablierten (Konzerne mit langen Leitungen) tun müssen. Die Zweitgenannten werden (was sie schon tun!) versuchen noch so manches an Ideen zu denen ihnen Geld nicht verhalf, abzukupfern. Als innovativ werden sie jedoch dann auch nicht mehr wahrgenommen.

Und die Selbstbewusstheit in dieser „neuen“ Aufgabe der „Neuen“ wächst. Siehe hier: http://www.l-iz.de/Bildung/Medien/2012/10/Die-Zukunft-des-Lokalen-im-Web-Mediencampus-Leipzig-44369.html

Steffen Greschner Oktober 17, 2012 um 11:30

Hallo Herr Freitag,

vielen Dank für Ihre Ausführlichen Kommentar. Das sind genau die Debatten, die ich mir Wünsche: Das eben nicht debattiert wird, wie alteingesessene Medien “gerettet” werden können, sondern wie mehr Lust darauf gemacht werden kann, neues zu gründen.

Ich denke einfach, dass genau diese Debatten noch zu branchenintern im Kreis rum diskutiert werden. In der breiten Öffentlichkeit wird das dagegen kaum wahrgenommen. Dort hat sich die “Jammerposition” der Großverlage erfolgreich festgesetzt.

Und nochmal auf den Punkt des “nicht verstanden” habens. Sie haben sicherlich recht, dass der Artikel etwas überspitzt formuliert ist. Ich habe allerdings vor rund drei Jahren, gemeinsam mit Peter Posztos die TegernseerStimme.de gegründet und bin seit Beginn bei istlokal.de involviert. Ich habe lange auf Netzleser.de den Markt journalistischer Neugründungen verfolgt und tue das immer noch. Ich denke, es kam in diesem einen Artikel zu Missverständnissen. An sich bin ich vollkommen der Meinung, die sie dargestellt haben.

Auf Propaganda aus der Verlagswelt falle ich zumindest sicherlich nicht herein. ;-)

Michael Freitag Oktober 28, 2012 um 07:10

Ich habe nun mal eine Weile gewartet. Diskussion? Fehlanzeige. Mal wieder leider der Eindruck, dass für oberflächlichs Blabla jede Menge Zeit ist. Für substantielle Beiträge nicht. Weshalb die Propaganda der Großßverlage funktioniert. Und nachdem ich es mir mal angesehen habe: Das ist vielleicht das, was ich bei Istlokal generell nicht finde: Fundierte, handwerklich klar aufgestellte tägliche Arbeit – dafür jede Menge Wordpressverkauf, PR und Eigendarstellung. Nicht meine Wiese. Machen schon eher. Die Fakten sind überdies seit Jahren klar, wenn es um “neue Angebote im Netz” geht … und nie vergessen – solange etablierte Verlage Euch den Kopf streicheln, seid Ihr schlicht unwichtig.

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