Crowdsourcing und Zeitarbeit: Chance oder Billigsektor?

von Steffen Greschner am 19. März 2012

Crowdsourcing als Arbeitsform wird seit einigen Jahren diskutiert. Das Image von “Zeitarbeit” in Deutschland ist nicht das beste. Schlechte Arbeitsbedingungen und Profitdenken wurde darum auch IBM vorgeworfen, als öffentlichkeitswirksam eine Umstrukturierung hin zum Crowdsourcing angedacht wurde.

Ein Blick über den großen Teich zeigt, wo die Reise hingeht. Das Branchenblatt der Ingenieure VDI-Nachrichten, hatte dazu einen interessanten Artikel, der das Wachstum in den USA verdeutlicht:

Laut der Organisation Crowdsourcing.org wuchs der Umsatz der Zeitarbeitsagenturen 2010 um 50 % und im vorigen Jahr waren es sogar 75 %. Das frei verfügbare Arbeitskräftepotenzial der Agenturen und der Freien Mitarbeiter verdoppelt sich inzwischen jährlich. Angeführt wird dieses rasante Wachstum vor allem von den Bereichen Software und Dienstleistungen. Damit widerspricht die Organisation auch der allgemeinen Behauptung, dass es sich beim Crowdsourcing nur um einfache Arbeiten handelt. Rund die Hälfte dieser Fachkräfte hat einen Bachelor-Abschluss oder höher und nur 5 % haben ausschließlich einen Hauptschulabschluss.

Während bei Crowdsourcing oder Zeitarbeit in Deutschland meist ausschließlich über den Billiglohnsektor fabuliert wird, zeigt die Entwicklung, dass vor allem wissensgetriebene Branchen die Crowdsourcing-Modelle vorantreiben.

Spannend und in den Diskussionen leider oft nur am Rande geführt, ist die Zufriedenheit der Menschen mit neuen Arbeitsformen. Entgegen der Erwartung, dass die fehlende Sicherheit in erster Linie verunsichert, steht die neue Freiheit im Vordergrund:

Gemäß einer Untersuchung von MBO Partners sagen 80 % der Zeitarbeiter, dass sie nicht wieder fest angestellt sein möchten. Als Hauptgrund geben sie an, dass sie jetzt wesentlich freier in der Gestaltung ihrer Arbeitszeit und der Aufgabenstellung sind. Doch der Schritt in diese Richtung war zumeist anders motiviert. Laut einer Studie von Boston Consulting sagen 60 % der Arbeitnehmer einer französischen Zeitarbeitsfirma, dass sie als Leiharbeiter angeheuert hätten, weil sie auf diese Weise schnell wieder einen Job gefunden hätten.

Zeitarbeit und Crowdsourcing reflexartig als Trend hin zu prekären Arbeitsformen zu sehen, greift demzufolge zu kurz. Zeitarbeit (mit angemessener Bezahlung), bietet auch Chancen auf eine neue Form der Selbstorganisation.

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